schließen

Tagebuch / Blog

Mittwoch, den 24 September 2008
Hier ist nun das erste der angekündigten Interviews, die ich mit befreundeten Grafikern, Regisseuren, Illustratoren, Bildhauern und Gamedesignern geführt habe.
Ich werde sie jeweils 2-3 Tage auf der ersten Seite der Comixfactory stehen lassen, damit sie nicht gleich wieder im Archiv verschwinden und Ihr Gelegenheit habt, Bekannte und Freunde darauf aufmerksam zu machen, die vielleicht an ähnlichen Berufen interessiert sind und sich fragen, wie sie an Infos über die jeweiligen Jobs kommen.
Ich wünsche Euch viel Spaß beim Lesen:




Ingo Mesche ist ein Renaissance-Mensch.

Ich habe ihn kennen gelernt, als er die Grafiken für das Moorhuhn angefertigt hat- kurz bevor das kleine Shooter ?Casual- Game zu einem Massenphänomen wurde.
Dadurch ist Ingos Arbeit berühmt geworden.
Richtig berühmt.
Mit einem ausgeprägten Interesse für Design und einer Leidenschaft für Naturwissenschaften, asiatischer Schwertkampfkunst und Film hat sich Ingo im Laufe seines Berufslebens viele der Disziplinen angeeignet, die seinen Beruf heute ausmachen: Regisseur, Produzent, FX-Grafiker, Editor, 3D/ 2D- Illustrator.



Die original Moorhuhnjagd, bei der Ingo das Design geliefert hatte.
Copyright Phenomedia Publishing GmbH

Wir freundeten uns über die gemeinsame Begeisterung für den amerikanischen Designer Syd Mead an, damals, als Ingo noch in Dortmund lebte (also nur wenige Zugminuten von meinem Studio entfernt) und ich ihn in seinem ?Labor? besuchen konnte- und pflegen unsere Freundschaft mit gelegentlichen Telefonaten und Mails.

Er ist ein besonnener und sehr disziplinierter Mensch- und schafft es regelmäßig, mich mit seinen Arbeiten umzuhauen.
Dass jemand so viele Talente in sich vereinen kann, erscheint mir immer schrecklich ungerecht!
:-)

Bevor wir starten- darf ich Dich um ein paar biografische Eckpunkte bitten?


Geboren wurde ich 1971 in Dortmund ... und bin dann im Jahr 2000 nach Malta ausgewandert.
1982 mit Computergrafik angefangen, verheiratet mit drei Kindern, an nun mehr als 80 Games gearbeitet, habe hier zwei Kinofilme produziert und in ziemlich vielen verschiedenen Bereichen gearbeitet, bei denen es auf Design ankommt.
(nur noch nicht in der Modebranche :-) )

Biografisches und Arbeiten von Ingo Mesche finden sich hier: http://www.mesche.com/

1)
Ingo, wir kennen uns mittlerweile über 10 Jahre, und haben die eine oder andere Firmenpleite miterlebt.

Was hältst du von der Theorie, dass die meisten Kreativpartnerschaften, sei es Firmen, die Games oder Filme produzieren, oder Gruppen, die sich einem gestalterischen Ziel verschrieben haben, selten länger halten als 4-7 Jahre.
Hast du eine Idee, woran das liegen könnte?


Ich glaube es liegt an dem Punkt, dass eine Kreativpartnerschaft oft aus der Idee entsteht, EIN Projekt umzusetzen. Ist das Ziel erreicht, wird darüber nachgedacht, was noch gemacht werden kann. So geht es dann zwei-, dreimal weiter, bis dann entweder keine neuen Ideen hervorgebracht werden, die Partner sich zerstreiten oder die Zukunft in einem anderen Geschäftszweig suchen. Die meisten Künstler sind zwar kreativ, doch imho (übersetzt: meiner bescheidenen Meinung nach) keine guten Geschäftsleute, was den ganzen Punkt der Firmenaufgabe dann noch beschleunigt. Es ist ja richtig, dass sich Kreative aufs ?Kreativsein? konzentrieren. Es wird aber unterschätzt, dass viel mehr dazu gehört, eine Firma langfristig zu führen bzw. die Firma auszubauen, und oft wird darüber nebensächlich bzw. gar nicht nachgedacht. Es kann nur funktionieren, wenn man professionelle Hilfe hat, ob als Partner oder angestellt und in einem Team, das eben nicht nur aus Kreativen besteht. Oft wird der Business & Marketing Plan zu Beginn falsch angegangen und die Firma gar nicht erst wirklich langfristig geplant.

Leider kann ich weltweit wohl nicht mehr als 10-15 bekannte Producer/ Studios nennen, die es nun langfristig gibt, was bei fast 7 Milliarden Menschen doch recht ungewöhnlich ist ...



2)
Eine Frage, die ich oft gestellt bekomme, ist die nach meinen Arbeitsmaterialien.
Darf ich fragen, wie du ausgestattet bist und was du an Programmen benutzt?


Ich habe hier fünf PCs zwei Dualcores,ein Dualcore Laptop und noch zwei alte Dual Xeons.. am allerliebsten mag ich mein Wacom Grafiktablett (Cintiq 21UX), ohne das kann ich mir mein Grafikerleben gar nicht mehr vorstellen?
Alle Computer sind vernetzt und helfen alle fleißig beim Rendern. Ich bin ja ein Maya Mensch der ersten Stunde und das hat nun alle Versionen überdauert. Für organisches 3D nutze ich meistens Zbrush, was gerade in Verbindung mit meinem Grafiktablett sehr gut funktioniert.

Ansonsten ist für 2D Photoshop angesagt, ab und an auch der Corel Painter.

Einer der Rechner ist ein reiner Schnittcomputer, auf dem ich dann mit Edius schneide. Composing etc. dann mit Afterfx.


3)
Wie sieht ein Arbeitstag von dir für gewöhnlich aus?


Habe ich es geschafft zu schlafen, dann stehe ich morgens mit meiner Familie auf, wir frühstücken und nach und nach verlassen alle das Haus, zur Arbeit, zur Schule etc. Schläft unser kleiner Niklas noch (mein Sohn, der zweieinhalb Jahre alt ist), dann verschwinde auch ich runter ins Studio. Ist er wach, dann spielen wir zusammen bis alle gegangen sind und ich mich dann auch wegschleiche ... (Großeltern und eine meiner Töchter passen dann auf ihn auf :-) ...). Ab und an kommt mein Kleiner auch mit ins Studio, aber er weiß leider nur zu gut mich abzulenken ... Arbeiten geht so fast gar nicht ... der weitere Ablauf ist Projekt bezogen ..

Dann setze ich mich an den Computer und es geht weiter mit einem Projekt bis die Familie zurück ist und es Mittagessen gibt. Nach dem Essen und einer kurzen Pause geht´s wieder runter und es wird weiter gearbeitet bis ich mir dann abends wieder Zeit für die Familie nehme. Wenn ich Drehtage habe, geht´s meistens früh los und ich warte häufig bis das Set steht, während ich den Tagesplan nochmal durchgehe. Dann wird alles nötige für den Tag gedreht und ich versuche abends durch das gedrehte Material zu schauen. Für unsere TV-Ads bin ich dann meistens Regie und Fx Supervisor in einer Person.




4)
Bei fast allen Grafikern, die ich kenne, mich eingeschlossen, ändert sich die Auftragslage in Wellen und mir scheint, dass entweder gar nichts kommt- oder alles auf einmal.
Wie kommst du mit solchen Stresssituationen zurecht? Gibt es Rekordarbeitstage von 24 Stunden und mehr?


Ist es nicht wirklich merkwürdig, dass es bei allen Freelancern so aussieht? Als wenn sich die ganze Welt abspricht wie die Aufträge verteilt werden .. es ist auch hier so, dass entweder eine ganze Zeit lang nur kleine Aufträge bzw. gar nichts kommt oder dann doch alles auf einmal und man nicht mehr Zeit für sich selbst und die Familie findet, 24 Stundentage sind dann fast normal.

Meistens ist es bei mir dann noch so, dass alles am besten gestern fertig sein soll und dadurch alles noch stressiger wird :) Aber so ist das Freelancerleben. Ich habe eine Familie mit drei Kindern und da ist es ab und an schon recht hart, diese Auftragswellen zu durchleben. Ohne das feste Einkommen meiner Frau wäre es manchmal nicht möglich, als Freelancer zu arbeiten.

Trotz allem kam bisher nach einem Wellental dann aber auch der Berg und so lebt es sich dann im Auftragssturm doch recht gut.


5)
Über die Entstehung des Moorhuhns gibt es viele Geschichten- und nicht wenige Leute schreiben sich zu, einer der Väter des Moorhuhns gewesen zu sein.
Ich habe, glaube ich, die meisten Stories darüber gelesen oder erzählt bekommen- aber noch nie deine Seite.
Wie hat sich die Schaffung der Figur aus deiner Sicht dargestellt?


Jaja,? das Moorhuhn. Leider kann ich mich gar nicht mehr so richtig darüber freuen, dass ich tatsächlich der Vater des Huhns bin. Ich habe das Huhn schon bereits 1992 erschaffen, damals war es eine "Gegner Figur" in einem nie realisierten Spiel. Ein paar Jahre später trat ein damals noch guter Freund und Kollege von Phenomedia an mich heran und fragte mich, ob ich Lust hätte, die Grafiken für ein Spiel namens Moorhuhn zu erstellen. Ich zeigte ihm dann das Huhn, was ich vor langer Zeit gemacht hatte, und wir waren uns einig, dass es ideal zum Spiel passt ... ich habe die kleine Pixelgrafik dann auf den damals neusten Stand der Zeit gebracht und so war das Moorhuhn geboren.

Leider ist der Erfolg des Huhns dann einigen Leuten über den Kopf gestiegen, es wurde vergessen, wer das Huhn eigentlich gemacht hatte, und mein damals noch guter Freund hat mich links liegen lassen, um aller Welt zu erzählen, dass das Huhn aus seiner Feder stammt. Selbst Phenomedia hat davon nichts geahnt und ihrem Mitarbeiter da blind vertraut.

Ich musste dann nach einiger Zeit die Notbremse ziehen und das wurde ja in der Presse auch veröffentlicht. Ist alles recht traurig, dass es so geendet hat. Da denkt man Leute zu kennen und vertraut ihnen, um im nachhinein so enttäuscht zu werden. Durch all die Umstände freue ich mich nicht mehr so darüber, dass ich der wahre Vater von meinem kleinen Huhn bin. (Hahn !) :-)

6)
Wenn man sich deine Arbeiten ansieht, kann ich erkennen, dass du noch immer mit Leidenschaft dabei bist. Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?


Es gibt viele Dinge, die mir Spaß daran machen. Was mir am meisten gefällt ist, dass man aus einem Nichts etwas erschafft. Ich fange mit einer Idee an, die mir oder anderen nur im Kopf vorschwebt, und setze das dann um. Wenn ich dann das fast fertige Projekt sehe, sehe ich es dann mit den Augen eines Dritten und versuche, die Arbeit zu verbessern und verbessern, bis dann keine Zeit mehr dafür bleibt.

So entstehen dann die meisten meiner Grafiken .. sie wachsen im Projekt und genau dieser Vorgang ist es, der mich immer noch dran sehr fasziniert.

Ein weiterer Punkt ist, dass er so vielseitig ist. In welchem Beruf arbeitet man an realen Tempelausgrabungen. Über die Visualisierung von Biogas Anlagen, von Architektur bis hin zu kleinen Monstern und Fantasy- Landschaften, dann wieder zurück und designt neue Technologien . Ich denke in nur sehr wenigen anderen Berufen hat man die Möglichkeit, so kreativ zu arbeiten und neues dazuzulernen.

Ich habe mich in meinem Künstlerleben glücklicherweise nie auf ein Gebiet festlegen müssen. Die Herausforderung sich immer neuen Aufgaben zu stellen, macht mir noch immer richtig Spaß ...

Nun ist ein weiterer Schritt geplant und die Idee dazu hatte ich vor ca. 15 Jahren. Das nun umzusetzen, wird neben der Spieleentwicklung wohl meine nächsten Jahre in Anspruch nehmen....

Vielen Dank, lieber Ingo, für die Antworten- und die Zeit, die du dir dafür genommen hast!





 

Kommentare

gepostet um 09:27 Uhr Mittwoch, den 24 September 2008
gepostet von nysosym

Wow gefällt mir, ma bekommt ein sehr gutes Bild von diesem Job, von den Höhen und Tiefen, dem Dauerstress, von den finanziellen Sorgen (wenn die Aufträge ausbleiben) usw. usf. . Vielen Lesern wird hier denke ich klar, das dieser Job kein Zuckerschlecken ist, auch wenn er Anfangs den Anschein macht.

Auch von mir vielen Dank Ingo und natürlich auch an Ralf! :)

 

gepostet um 10:45 Uhr Mittwoch, den 24 September 2008
gepostet von Ralf

Dauerstress und den Rechnungen hinterherlaufen haben wir alle.
In Variationen wird das auch in den Folgeinterviews zum Thema, da die wenigsten von uns Grafikern festangestellt arbeiten können.
Wir leben zwar alle ausschliesslich von unseren Jobs- aber richtig "reich" ist mit dieser Art Arbeit (und es sind eine Menge bekannter Titel dabei) noch niemand geworden...

 

gepostet um 09:25 Uhr Sonntag, den 24 Juli 2022
gepostet von Adfjswept

mail order pharmacy best drugstore concealer https://pharmregtop.com/

 

Kommentar abgeben

Name:
Kommentar: