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Tagebuch / Blog

Mittwoch, den 08 Oktober 2008


Anette Biedinger habe ich kennengelernt als ich noch Artdirector bei Phenomedia war.
Ein Lizenzhändler hatte sich um die Merchandise-Lizenz der Figur SVEN BOMWOLLEN bemüht und hatte Anette engagiert, die Figuren zu modellieren.
Von allen versuchen, den Charme der Figur einzufangen war Anette die erste, die mich nicht nur beeindruckt sondern gleich komplett umgehauen hat.
Leider ist aus dem Sven-Merchandise nichts geworden- aber aus diesem Kontakt ist eine Freundschaft entstanden die nun schon über mehrere Jahre wächst.

Sie hat als hervorragend ausgebildete Bildhauerin für Themenparks, Theaterproduktionen (auch als Maskenbildnerin!) und Museen gearbeitet und bietet auch Ihre eigenen Skulpturen an.

Ich bin immer beeindruckt, wenn ich neue Arbeiten von Ihr als Fotos per Mail zu sehen bekomme. Und fühle mich sehr privilegiert- denn ich halte sie für ein Ausnahmetalent.
Nicht nur, dass sie eine der wenigen Bildhauer ist, die sich auch einen fremden Stil aneignen können- nein, ihre Arbeiten haben eine Sinnlichkeit, bei der ich nicht sicher bin, ob ich sie in den Werken eines Mannes wieder finden würde.
Eine eigene Internetseite ist in Arbeit und sobald sie online ist, poste ich hier die URL.

Das Interview mit Anette ist das dritte seiner Art, und wird, wie schon die vorhergehenden mit dem unvergleichlichen Ingo Mesche und dem begnadeten Jan Braun 2-3 Tage stehen bleiben, damit Ihr Gelegenheit habt Freunde und Bekannte, die sich für den Bereich interessieren darauf aufmerksam zu machen. Danach findet es sich weiterhin im Archivbereich.




Darf ich Dich kurz um Deinen Beruflichen Werdegang und einige persönliche Eckdaten bitten?

Nun ich bin ein Kind des Ostens und mein beruflicher Werdegang ist aus dem Ostsystem geboren. ( Im Westen wäre ich sicher ganz wo anders gelandet?)

Nach dem Abitur habe ich erst als Volontär am Schauspielhaus Chemnitz gearbeitet.
Der Literatur und dem Theater gehört immer schon meine Liebe und so wollte ich zunächst Dramaturgie studieren.
Leider bin ich an dieser Stelle mit dem Ostsystem politisch in Konflikte gekommen, so dass sich das Studium erledigt hatte.
So habe ich versucht, mich über die Bildende Kunst ( und einem Studium an der HfBK Dresden ) aus der Affäre zu ziehen. Eine ziemlich naive Idee, die übrigens auch nicht aufgegangen ist.

Nach der Wende hatte ich als Mutter von 3 Kindern andere Sorgen als meine künstlerische Entwicklung und habe in verschiedenen Engagements am Theater in meinem studierten Beruf als Maskenbildnerin gearbeitet.

Später ergab sich eine Festanstellung als Bildhauerin in einer Firma, die Freizeitparks mit beweglichen Figuren und Dekorationen ausstattet- eine ziemlich coole Zeit !!!

Mittlerweile sind meine Kinder schon recht groß und ich arbeite nun seit 5 Jahren selbständig als Maskenbildnerin und Plastikerin.( mit Liebe zur Literatur )



Darf ich fragen womit Du in der Regel arbeitest? Mit welchen Materialien und Werkzeugen?


Ich arbeite mit Allem was mich reizt und was ich körperlich bewältigen kann, vorausgesetzt es ist ungiftig. Dabei gibt das zu gestaltende Objekt( Einsatz und Bedarf ) meist das Material vor.
Größere Figuren schnitze ich oft aus Styropor und beschichte sie dann mit Kunststoff.
Zum Modellieren verwende ich sehr gerne Ton oder Wachs oder Ähnliches. Diese Sachen werden dann auch mal abgeformt und vervielfältigt. Ich bin aber grundsätzlich immer auf der Suche nach neuen Materialien.



Wie bekommt man Beruf und Kindererziehung zusammen?
Ich versuche mir immer wieder vorzustellen, wie ich es es eines Tages handhaben werde, kratze mir aber nach zwei Minuten schon am Kopf?



Kratz Dich ruhig weiter !!!
Eigentlich geht es nicht. Irgendwie hat man immer das Gefühl, eine Sache kommt zu kurz. Man muss schon ein Wunder an Organisation und Nerven sein, ( also, nicht so wie ich ) um Beides gut hin zu bekommen.
Aber immerhin sorgen meine Kinder dafür, dass ich mit dem nötigen Abstand und etwas Selbstironie meinen Job mache und der Job sorgt dafür dass ich nicht zur Übermutter mutiere und meinen Kindern damit auf die Nerven gehe. Außerdem sind sie meine größten Fans und meine schärfsten Kritiker und ich stelle mich zu gerne ihrem Urteil !

Wie die meisten kommerziell arbeitenden Künstler wirst Du auch das Problem kennen, dass entweder nichts reinkommt- oder zig Jobs auf einmal. Wie gehst Du mit dem Stress um?

Ich glaube, richtig gut kann ich nur unter Stress arbeiten. Was mir gar nicht bekommt, sind Zeiten ohne Termindruck. Da gehe ich mir fürchterlich auf die Nerven.
Aber eigentlich habe ich immer irgendetwas zu tun und viel zu wenig Zeit, alle Ideen umzusetzen, nur findet sich das leider nicht immer unbedingt in barer Münze wieder.



Du hast auch schon als angestellte Bildhauerin gearbietet- was würdest Du empfehlen: lieber freiberuflich oder lieber angestellt?

Ich würde sagen, das kommt auf die Lebenssituation an. Wenn man Verantwortung für andere Menschen hat und für deren Lebensunterhalt sorgen muss, besteht wohl eher der Bedarf nach einer Festanstellung. Da muss man auch als Künstler zurückstecken.
Ich habe das große Glück, dass wir mittlerweile nicht mehr von meinem Einkommen leben müssen. Ich betrachte es als großes Privileg, in einem künstlerischen Beruf freiberuflich arbeiten zu können. Aber ohne Partner könnte ich mir das ( noch ? ) nicht leisten.



Um sich für den Beruf zu bewerben- wie sollte ein Portfolio mit Arbeitsproben aussehen?

Nun, ein Bewerber sollte auf jeden Fall seine Hausaufgaben gemacht haben ! D.h. ich würde immer schauen, wie arbeitet jemand an seiner Qualifikation, wie interessiert er sich für Materialien.
Als Plastiker sollte man ein Mindestmaß an zeichnerischen Fähigkeiten sowie Anatomiekenntnisse haben.
Außerdem benötigt man technisches und statisches Verständnis.
Das Alles kann man in jeder beliebigen Art vorzeigen, ob als Foto, als Zeichnung oder richtiges Objekt. Weniger geeignet scheint mir das ausschließliche Beherrschen von 3-D Programmen. Das ist sicher eine super Vervollkommnung des Berufes, macht aber noch lange keinen guten Plastiker mit wirklichem plastischen Verständnis .

Ich finde, Deine Skulpturen haben immer eine sehr sinnliche Note- die mir oft auch auf eine wunderbar anrührende art sehr sexy erscheint- wodurch kommt diese Note zustande?

Ich denke, dadurch, dass ich eine Frau bin. Meiner Meinung nach haben Werke von weiblichen Plastikern eine andere Ausstrahlung als die von männlichen. Außerdem liegt ein großes Maß an Sinnlichkeit in dem Beruf des Plastikers an sich. Den kleinen Unterschied zwischen Sinnlichkeit und Sexy Ausstrahlung macht dann, denke ich, ein wenig Humor, der bei mir vielleicht dazu kommt. Ich nehme mich nicht ganz so ernst mit meiner Arbeit, sondern suche immer auch den Spaß für mich in meiner einsamen Werkstatt. Auf diese Weise kann ich über die Figuren mit dem Betrachter ein bisschen flirten.



www.Freilichtspiele-Hall.de, Stück:"Ödipus"

Deine Theaterarbeiten haben mich sehr beeindruckt- ziehst Du die Inspiration dazu nur aus dem Stoff?

Ich ziehe meine Inspirationen nie aus nur einer Sache ! Ich liebe es, wenn sich verschiedene Bereiche miteinander verknüpfen.
Die Literatur spielt aber für mich eine wichtige Rolle. Ich gehöre zu der glücklichen Generation, die noch lesen musste, um Bilder im Kopf zu erzeugen. Das hat sich so aus meiner Kindheit erhalten und so läuft Alles in meinem Kopf immer in kleinen Filmen und Episoden ab. Selbst einzelne Worte formieren sich bei mir zu etwas Bildhaften.
Am Theater liebe ich die Dramatik, nicht nur der Texte, sondern auch im Ablauf einer
Inszenierung oder der Vorstellung am Abend. Das sind für sich schon wieder Geschichten, unter extremer Emotionalität, die es zu beobachten lohnt. ( Ich bin bekennender Voyeur !)



Danke für das Interview!

 

Kommentare

gepostet um 16:56 Uhr Mittwoch, den 08 Oktober 2008
gepostet von nysosym

Wieder einmal ein sehr interessantes Interview, von den gezeigten Bildern gefällt mir das letzte unglaublich gut! Werden Sachen wie diese noch bemalt, oder wird ihre Natürlichkeit beibehalten? Kann man Skulpturen wie diese auch als Privatmensch erwerben? Wenn ja wo? :)

 

gepostet um 17:25 Uhr Mittwoch, den 08 Oktober 2008
gepostet von Ralf

Ich werde sie mal fragen wie man die Arbeiten erwerben kann- und für wieviel.
Ein Teil der Werke wird bemalt- aber ich habe einige wunderbare Stücke von Ihr als Gipsabguss hier daheim, und die sind unbehandelt- und echte Blickfänger!

 

gepostet um 17:33 Uhr Mittwoch, den 08 Oktober 2008
gepostet von Anette

Klar, kann man soetwas bei mir direkt bestellen. Das ist eigentlich auch erschwinglich. Von den hier gezeigten Figuren gibt es z.T. Abgüsse. Aber ich mache auch Unikate. ( in fast jeder Größe )

 

gepostet um 08:24 Uhr Donnerstag, den 09 Oktober 2008
gepostet von Monkeybutt

Hey Ralf,

amazing scultures!
Sadly I can not understand everything that is said in the interview but the lady is obviously incredibly talented!
Any chance to get more pictures of the opera singers?
I just love them.
:-D
Thanx!!

 

gepostet um 10:42 Uhr Donnerstag, den 09 Oktober 2008
gepostet von Ralf

Anette bat mich das hier noch zu posten:
"Nur noch mal zu Klarstellen. Die Entwürfe für die Ausstattung hat jemand Anderes gemacht.( in sehr oberflächlicher Form- darum geht der Zank ) Die Kostüme stammen aus der Kostümabteilung. Mein Beitrag sind die Krallen und das Make up, das ich auch entworfen habe."

With opera singers, I think you mean the Valkyries, right

 

gepostet um 16:27 Uhr Donnerstag, den 09 Oktober 2008
gepostet von Altair

Hi Ralf, schönes Interview! Und interessante Skulpturen.

Ein kleiner Fehler ist mir jedoch aufgefallen ;)
"...Ich versuche mir immer wieder vorzustellen, wie es (<--soll doch sicher "ich" heißen) es eines Tages handhaben werde..."

Super Seite im übrigen, mach weiter so!
Grüße und Besserung
Altair

 

gepostet um 18:13 Uhr Donnerstag, den 09 Oktober 2008
gepostet von Ralf

@Altair:
Danke- hab´s korrigiert!

 

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